-_dd denkt laut
Sonntag, 23. Januar 2005
hohepriesterin



mit nina simone war nicht gut kirschen essen.

so unkontrolliert wie ihre launen, so gewaltätig und unberechenbar wie ihre person ist auch ihre diskographie.

simones musik ist oft schmerzhaft, oft unerträglich intensiv, schiesst manchmal völlig über das ziel hinaus.
ihre konzertaufnahmen muten oft beinahe voyeuristisch an - und manchmal zerbröckelt die unnahbare fassade der diva unversehens. das verzeiht simone ihrem publikum nicht. niemand soll sie nackt und verletzlich sehen, schliesslich ist es nicht nur ihr eigener stolz, ihre eigene würde, die sie zu verteidigen hat, sondern vielmehr die würde aller (unterdrückten) schwarzen frauen der welt, als deren sprecherin simone sich immer begriffen hat.

verwunderlich nur, dass nina simone an diesem vermessenen anspruch an sich selbst nicht schon viel früher zerbrochen ist.



eigentlich wollte die 1933 geborene eunice waymon ja klassische pianistin werden. mit 10 galt sie als wunderkind und gab ihre ersten konzerte - bach, beethoven, rachmaniniov.
als bei einem der konzerte - in den vierziger jahren herrschte in den usa noch strikte rassentrennung - eine weisse familie ihre eltern von ihren plätzen verteiben wollte, unterbrach klein eunice ihr spiel und fuhr erst fort, nachdem die weissen sich entschuldigt hatten und ihre eltern in der ersten reihe saßen.



an mangelndem talent wird es wohl nicht gelegen haben, dass ihre bewerbung für eine rennomierte musikschule in philadelphia 1950 abgelehnt wurde - simone selbst meinte jedenfalls, der grund für die ablehnung sei ihre hautfarbe gewesen.
also schlug sich die junge pianistin als klavierlehrerin durch.
als sie erfuhr, dass eine ihrer schülerinnen als barpianistin mehr geld machte, als sie selbst, beschloss sie, ebenfalls in einem nachtlokal zu arbeiten.
da ihre streng religiöse mutter wohl auf der stelle tot umgefallen wäre, hätte sie erfahren, in welch zwielichtigen etablissements sich ihre tochter da herumtrieb, nahm eunice, die die französische schauspielerin simone signoret verehrte, den künstlernamen "nina simone" an.



ihr erstes album, ein respektabler erfolg, war ein sauber exekutiertes stück barjazz, viele standards, einige eingenkompositionen. simones klavierspiel merkt man die klassische vergangenheit deutlich an, und ihre stimme klingt schon damals, als wäre sie aus heissem essig und dicker melasse.



anfang der sechziger landete simone dann beim label "coolpix", das nicht so recht wusste, was es mit der sängerin anfangen sollte.

(aretha franklin ging es zur selben zeit bei columbia records ganz ähnlich - schliesslich war das genre "soul" noch nicht erfunden).

die alben hiessen "simone sings ellington", "nina with strings" oder "folksy nina". ein grossteil ihrer frühen schallplatten waren aber ohnehin live-aufnahmen - die kamen erstens billiger, und zweitens funktionierte der wilde stilmix aus folk, gospel, jazz, blues, broadway-musical und chanson auf der bühne besser als im studio.



ihre besten aufnahmen machte nina simone wohl ab 1964 für das label philips - die alben "i put a spell on you", "pastel blues", "let it all out", "wild is the wind" und "high priestess of soul" zeigen sowohl die songschreiberin als auch die sängerin und pianistin nina simone an ihrem künstlerischen zenit.

so unterschiedliche künstler wie nick cave, diana krall, stephen stapleton, missy elliott, david bowie, peaches oder cassandra wilson berufen sich aufgrund dieser alben immer wieder auf nina simone.

(peaches hat ihren künstlernamen übrigens aus einem simone-stück: "four women".)



in den besten momenten trägt ihre stimme das gewicht der gesamten menschlichen existenz. das gerade erfundene genrewort "soul" wird unter ihren händen flugs vom etikett wieder zu einer spirituellen dimension.

erhabener als etwa "be my husband" oder auch ihre deutung von "I put a spell on you" kann musik kaum sein.

wo billie holiday trotzig-traurig klingt und ella fitzgerald ironisch-optimistisch wirkt, da schimmert bei simone immer wieder unverhohlene abscheu, hass und gewaltbereitschaft durch.



besonders "schön" lässt sich das anhand von "strange fruit" illustrieren, geschrieben in den vierziger jahren, als die lynchjustiz gegen schwarze zum amerikanischen alltag gehörte,

in billie holidays version schwingt panische angst und unverständnis; bei simone hingegen wird das lied zu einer wütenden anklage. wo holiday von ferne die verwesenden leichen am baum sieht, schneidet simone sie vom seil und zeigt mit dem finger auf die mörder, um dann später ihre häuser anzuzünden und ihre kinder zu ertränken.

billie holiday - strange fruit
nina simone - strange fruit



nina simone wandelte sich allmählich von der pazifistischen bürgerrechtlerin zur radikalen ikone der black-power-bewegung. immer öfter sympathisierte sie offen mit malcolm x und der nation of islam.
am tag nach der ermordung von martin luther king gab simone bei einem konzert die "king´s suite" zum besten, ein stück, in dem sie zunächst die tode verschiedener afroamerikanischer persönlichkeiten beklagt und dann dazu übergeht, ihr publikum systematisch aufzustacheln:

"we can´t afford anymore losses, you see, we´ve had too many of them."

"when your life is being threatened, you know what you have to do, right? "

"I ain´t about to propagate non-violence, you see!"

das konzert wurde mitgeschnitten und auf dem album "´nuff said" veröffentlicht - allerdings in einer zensierten version. die plattenfirma fürchtete, das matierial würde sonst rassenunruhen provozieren. hört man die ungeschnittene version (veröffentlicht 1998 auf "sugar in my bowl") scheint das gar nicht so abwegig.

simone´s alben aus der zeit (für das label rca) sind durchwachsen, teilweise überproduziert und uneinheintlich, aber allesamt hörenswert.



um 1970 wurde der fbi auf simone´s politischen aktivitäten aufmerksam und machte ihr das leben noch schwerer, als es ohnehin schon war. morddrohungen gegen die künstlerin waren an der tagesordung.
darüberhinaus war ihre ehe mit ihrem manager/produzenten andy stroud gerade in die brüche gegangen.
und so beschloss nina simone 1974, dass ein menschenwürdiges leben für eine schwarze frau in den usa nicht mehr möglich sei.

ihr selbstgewähltes exil führte sie nach liberia, barbados, grossbritannien, in die schweiz und nach frankreich. nur noch sporadisch trat sie auf, und die spärliche plattenaufnahmen lassen das feuer früherer tage nur vage erahnen.

drogen, alkohol und depressionen hatten nina simone zu einer gebrochenen frau gemacht.



ihre wohl grösste niederlage war aber wohl paradoxerweise ihr grösster kommerzieller erfolg: 1987 verwendete eine kosmetikfirma "my baby just cares for me" in einem werbespot, woraufhin das lied zu einem welthit wurde.
hatten simones konzerte vor diesem überaschungserfolg nur noch in kleinen clubs stattgefunden, trat sie nun wieder in grossen hallen auf - aber das, was die künstlerin nina simone ausmachte, interessierte ihr neu gewonnenes publikum nicht. alle wollten nur den seichten barjazz hören, mit dem simone ihre karriere begonnen hatte. da sie überdies keine rechte an ihren frühen aufnahmen besass, verdiente die unfreiwillig zum weltstar gewordene so gut wie nichts an ihrem comeback. im gegenteil musste sie für jedes konzert, bei dem sie das alte material spielte, tantiemen an ihren musikverlag zahlen.
verständlich, dass sie "my baby just cares for me" hasste..



nina simone starb 2003 verarmt, vereinsamt und verrückt in frankreich.



wenn Ihnen die compilation "four women", die auf 4 cds die kompletten aufnahmen für philips zusammenfasst, unterkommt, tun Sie sich doch einen gefallen und kaufen Sie sie.

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deppen 25,41%. unfassbar. kann
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geh´heute abend zum jan delay-konzert. alleine. weil die frau pinkNgreen nämlich leider...
by deedee523 (01.10.06, 17:14)

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